Ausgehend von der Explikation der Existenzweisen [REF] und [REP] identifiziert Latour den Kategorienfehler, der nach seiner Beobachtung zur Konstruktion der „materiellen Welt“ führt. –– Bruno Latour und die Kultursoziologie, S. 8f.
Zunächst werde dabei irrtümlicherweise der wissenschaftliche Erkenntnisweg mit seinen institutionellen und materiellen Infrastrukturen und seinen riskanten Formatwechseln ausgeblendet. In Unkenntnis der wissenschaftlichen Praxis werden die Endprodukte des Forschungsprozesses – also die fertigen Erkenntnisse, Theorien, Formeln oder kausalen Gesetze – als Formen isoliert und einer objektiven Welt gegenübergestellt.
Zweitens wird durch den modernen Glauben an unveränderliche Wahrheiten und konstitutive Wesensmerkmale der voraussetzungsreiche Reproduktionsmodus ausgeblendet. Berge, Bakterien oder Pflanzen müssen einen diskontinuierlichen „Existenzweg“ (Latour 2014, S. 175) durchlaufen, um zu existieren. Dieser Weg wird allzu oft ignoriert, stattdessen betrachten die Modernen nur ein reduktionistisches Standbild, die Dinge an sich, die Wirklichkeit an sich, etc. Der entscheidende Fehler besteht nun in der Kombination dieser missverstandenen Existenzweisen: Die isolierten Endprodukte der wissenschaftlichen Referenzkette („Formen“) werden als Grundlage für die Reproduktion der Entitäten („Substanz“) angesehen.