Language and Science

Mani Matter hat "in der letzten Zeit zehn Aufsätze von verschiedenen Autoren über Jean-Jacques Rousseau gelesen. Was für ein Aufwand wird da getrieben, um einen Schriftsteller zu interpretieren! Da hat einer einen Gedanken darüber, was Rousseau gemeint haben könnte. Nun sucht er hundert Stellen aus den verschiedenen Werken zusammen, die das beweisen sollen, stellt die Frage in »geistesgeschichtliche Zusammenhänge« etc. Und man hat das Gefühl, das Ganze sei verschwendet. Was hat der, der den Aufsatz geschrieben hat, davon? Er hat es sich selbst bewiesen, daß er recht hatte mit seinem Gedanken; aber dazu hätte er ihn nicht zu schreiben brauchen. Und was hat der Leser davon? Er weiß nun, was einer meint, was Rousseau meine. Aber das hätte er kürzer, meist in einem Satz haben können. Wissenschaftlich ausgedrückt; das heißt mit Zitaten und historischem Material belegt. Aber würde man die Zeit, die man braucht, um der Wissenschaft ihren Tribut zu zollen, nicht besser dazu verwenden, über die Sache selbst nachzudenken? Beispielsweise: Ich denke: Rousseau hat das und das gemeint. Ich verifiziere, ob er es wirklich gemeint hat: es stimmt. Ich schreibe es auf: »Rousseau meint ...«, oder besser: ich zitiere die Stelle, wo er es selbst sagt. Und nun widme ich mich der Arbeit, zu überlegen, ob es stimmt, was Rousseau sagt. Und schreibe die Bestätigung oder Widerlegung. »Rede mit eigenen Worten«, wie Hohl sagt, und zwar über die Sache selbst, das wäre es. Der Sprache etwas liefern, nicht der Wissenschaft."

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Sudelhefte first published in 1974, collects Mani Matter's diaries from the period between 1958 and 1971. […] page , Tagebuch III, p. 101–102, 17

I have recently read ten essays by various authors on Jean-Jacques Rousseau. What an effort is made to interpret a writer! Someone has a thought about what Rousseau might have meant. Now he looks for a hundred passages from the various works that are supposed to prove this, puts the question in "intellectual-historical contexts" etc.. And one has the feeling that the whole thing is wasted. What does the one who wrote the essay get out of it? He has proved to himself that he was right in his thought; but he need not have written it for that. And what does the reader get out of it? He now knows what one means, what Rousseau means. But he could have had it shorter, mostly in one sentence. Scientifically expressed; that is, substantiated with quotations and historical material. But wouldn't the time taken to pay tribute to science be better spent thinking about the thing itself? For example: I think: Rousseau meant such and such. I verify whether he really meant it: it is true. I write it down: "Rousseau means ...", or better: I quote the place where he says it himself. And now I devote myself to the work of considering whether what Rousseau says is true. And write the confirmation or refutation. "Speak in your own words," as Hohl says, about the thing itself, that would be it. To deliver something to language, not to science.